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TONSTUDIOS
werden, obwohl das Verwalten von
Finanzbudgets nicht meine Stärke ist.
Irgendwann bin ich dann richtig kalt
gelandet.“
Obwohl Plasa als Produzent nicht
exemplarisch für audiophile Produkti-
onen steht, beeindruckt ihn guter Klang,
weshalb er bis heute zum Beispiel bei
Popballaden mit echten Streichern arbei-
tet, statt auf Samples zurückzugreifen. Ein
Schlüsselerlebnis war für ihn vor gut 20
Jahren ein Besuch bei Mastering-Guru
Bob Ludwig in Portland: „Bob legt ein
Band der von mir produzierten Band
Swimming The Nile ein und meint: ,Dies
ist, was Du mir gegeben hast. Und jetzt
lausche, Franz, was ich daraus gemacht
habe‘. Dann stellt er das Gerät an - und
es war eine unfassbare Erfahrung.“
Die H.O.M.E. Studios sind für Musi-
ker und Bands ein guter Ort, um zu
einem eigenen Sound zu finden. Wäh-
rend es beispielsweise im 63 Kubikme-
ter großen Aufnahmeraum, designt von
Musiker sollen sich etwas trauen
//
n
Warum entscheiden sich Musiker für die
H.O.M.E. Studios?
Depeche Mode und andere bekannte Künst-
ler haben hier aufgenommen. Viele wollen
etwas von der Aura des Ortes mitnehmen,
aber auch vom Know-how vor Ort. Jeden
Tag bekommen w ir Anfragen von Bands, die
zum Beispiel Selig-Platten geil fanden und
von mir produziert werden möchten.
Über welches Equipment verfügt Ihr?
Neben diversen Instrumenten und Vinta-
ge-Verstärkern bieten wir hochwertige und
seltene Mikrophone zum Beispiel von Neu-
mann. Bei Gesang bin ich persönlich Fan vom
Shure-SM7, einem dynamischen Mikrophon
mit Nierencharakteristik. Obwohl Bono die-
ses verwendete, war das hierzulande nicht
angesagt, so dass ich in den 90er-Jahren
ein paar Exemplare aus den USA mitbrachte.
Schlagzeug kann man hier an ganz verschie-
denen Orten aufnehmen, es kommt darauf
an, was du willst. Ein Drumset im Kachel-
raum, abgenommen von einem Mikrophon
mit Großmembran, das Ganze stark kompri-
miert, und Du erzeugst zum Beispiel diesen
amerikanischen „Knallsound". Aber letztlich
ist ein Studio nur ein Instrument, das Men-
schen beseelen müssen. Wenn der Musiker
nicht gut ist, klingt es schlecht.
Was bietet ein Studio im Unterschied zum
Homerecording?
Die Kultur des gemeinsamen Spielens hat
stark abgenommen. Im Studio dagegen er-
arbeite ich gemeinsam mit einer Band den
Song: Tonart, Tempo, die Art, wie man spielt.
Wenn zum Beispiel ein Drummer
über meine Vorstellungskraft hi-
naus ein Angebot macht, dann
törnt mich das als Produzent an.
Klanglich haben Studioproduktio-
nen im Unterschied zum reinen Ho-
merecording eine Tiefenstaffelung,
Du kannst in den Raum hineinhö-
ren, wenn zum Beispiel ein Schlagzeug mit
diversen Mikrophonen aufgenommen wird.
Welcher Aspekt ist Dir als Produzent beson-
ders wichtig?
Dass Musiker sich mal wieder etwas trau-
en. In den letzten zwei, drei Jahren gibt es
fast nur noch Beats im 4/4-Takt, Beats, die
anders sind, kannst du heute an den Fingern
abzählen. Wann gab es das letzte Mal einen
krummen Takt, was ist mit rhythmischer Viel-
falt? Heute nimmst du einen Song auf, indem
Franz Plasa spielte als Gitarrist bei Felix De Luxe,
bevor er als Produzent und Komponist für Falco, Selig,
Nena und Udo Lindenberg bekannt wurde.
Die H.O.M.E. Studios übernahm er 1998.
du ihn komplett zerschneidest und dann wie-
der zusammenfügst. Dadurch wird das, was
der Schlagzeuger gespielt hat, total unwich-
tig. Dazu kommt starke Kompression, die dem
Schlagzeug das Luftige nimmt. Es darf einfach
nicht sein, dass alles gleich klingt. Aber wenn
sie gut gemacht ist und von Herzen kommt,
liebe ich jede Art von Musik, auch Dance
und Electro. James Blakes Debüt, komplett
im Schlafzimmer eingespielt, ist für mich eine
sensationelle Platte.
Momentan wird gerade das Herzstück des
Regieraum 1 renoviert das MischpultSSL 9080J.
1999 hab' ich das für zirka eine Million Mark
gekauft, damals war es State of the Art. Aber in
S
tICHWORT
gewisser Hinsicht ist es eine Fehlkons-
truktion, denn es wird zu heiß, und
wenn es viel benutzt wird, sind nach
zehn Jahren fast alle 72 Schalter pro
Kanal kaputt. Und da diese
Channel Strips kom-
plett
verschweißt
sind, kannst du
sie nicht einfach austau-
schen. Aber wir haben
Leute gefunden, die
das
sehr mühevoll
auflöten, die wich-
tigsten
Schalter
rausnehmen
und
neue reintun. Inzwi-
schen sind 16 von
rund 80 Kanälen fer-
tig, und bald haben
Channel strip
Effektgerät, das
der Verfeinerung
von Tonaufnah-
men dient.
wir in dem Raum wieder ein sensationelles
Mischpult.
2010 bist Du beinahe Juror in einer Cas-
ting-Show geworden .
..
Jemand vom Fernsehsender Vox rief mich
an und fragte, ob ich bei „X Factor" mitma-
chen wolle. Ich sagte ab, produzierte aber
die Musik für die Show, pro Staffel um die 100
Songs. Dadurch habe ich einen profunden
Einblick bekommen, was Popmusik heißt,
wenn du global denkst, welche Akkordfolgen
zum Beispiel häufig vorkommen. Am Anfang
fand ich X-Factor super, aber am Ende der
ersten Staffel merkte ich, dass es gar nicht
um die Musik ging, sondern nur um die Ein-
schaltquote. Deswegen bekam ich im zwei-
ten Jahr immer Fieber, wenn ich in Köln war,
bin regelrecht krank geworden und hab' 2011
schließlich gesagt: ,Ich kann das nicht mehr
machen'. Wegen des fehlenden Geldes war
das schlimm, aber es ging eben nicht.
Wie bist Du dazu gekommen, Musicals zu
produzieren?
Als es 2011 wirtschaftlich schlecht aussah,
rief jemand von Stage Entertainment an und
meinte: „W ir wollen ,Rocky’ auf die Bühne
bringen. Willst Du die CD dazu produzie-
ren?" Für die Protagonisten - alles Amerika-
ner - war das zunächst ein Affront gewesen.
Aber dann kamen die hier ins Studio, haben
diese Vintage-Atmosphäre gerochen, wir
haben zusammen Musik gehört, und von
da ab waren wir Freunde. Musical-CDs, die
einfach im Orchestergraben aufgenommen
werden, sind nicht gerade ein audiophiles
Erlebnis. Wenn ich so etwas produziere,
möchte ich einen anderen Sound. Vor allem
will ich den Song vermitteln und weniger
den Musical-Kontext und schmeiße des-
halb Sachen raus, die man auf der Bühne
braucht, die aber für den Song nicht
notwendig sind; auch auf Tempo-
wechsel verzichte ich.
Welche Pläne hast Du für die
Zukunft?
Neue Künstler zu entwi-
..« M
ekeln, und zwar genreun-
abhängig.
Wir
wollen
zurück zu Vinyl und etwas
weg von diesen ganz lau-
ten Sachen, hin zu orga-
nischeren
Klängen.
Und
wir werden definitiv wieder
Filmmusik machen.
LJ
20 STEREO 3/2015
FOTO UNTEN: H.O.M .E STUDIOS
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